“Wir haben die Stadt vor Stillstand gerettet”

Interview mit der SPD-Fraktionsvorsitzenden Melanie Wegling (Veröffentlichung aus dem RÜSSELSHEIMER-ECHO von Ralph Keim)

Nach wochenlangem Stillstand, bedingt durch die Verordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie, ist auch das politische Leben in Ginsheim-Gustavsburg wieder angelaufen. Unser Mitarbeiter Ralph Keim sprach mit Melanie Wegling, Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, über wichtige Projekte und Erfolge der SPD.

Frau Wegling, wie bewerten Sie die ersten Corona-freien Monate dieses Jahres?

Die Zeit war geprägt von der denkwürdigen Abstimmung zum Haushalt für dieses Jahr im Februar. In der Vorbereitung haben wir seitens der SPD viele Projekte in den Entwurf verhandelt. Unsere Enthaltung bei der Abstimmung rettete die Stadt vor einem Stillstand. Der Bürgermeister hatte während der Debatte seine Mehrheit verloren und bekam den Haushalt dann nur noch dank unserer Enthaltung verabschiedet. Wir waren alle überrascht und haben noch ziemlich lange darüber gesprochen.

Und wie bewerten Sie das komplette erste Halbjahr?

Es war definitiv einzigartig. Wir konnten wegen der Corona-Einschränkungen nur wenig regulär tagen und haben wie überall neue Wege der Kommunikation für uns entdeckt. Wir haben in der Zeit einiges vorbereitet und freuen uns jetzt auf die Umsetzung im zweiten Halbjahr.

Was hätte – ungeachtet von Corona – in GiGu in diesem Jahr längst in trockenen Tüchern sein sollen? Beziehungsweise: Was muss Ende des Jahres unbedingt abgeschlossen sein?

Mittlerweile hat sich eine ganze Liste angesammelt: der Neubau einer Kita in Gustavsburg die Entscheidung über das Bürgerzentrum Gustavsburg, ein Konzept für das Altrheinufer, der öffentliche Wohnungsbau. Leider kommen wir hier aber nicht voran. Politisch sehe ich hier eigentlich oft einen Konsens, die Umsetzung bleibt aber aus.

Was verbuchen Sie als SPD-Erfolg, wenn Sie auf die vergangenen zwölf Monate zurückblicken?

Ich bin sehr stolz auf die SPD, weil sie immer der Motor vieler Themen war und ist. Dass wir nicht in politischen Stillstand verfallen, ist der größte Erfolg. Wir haben darüber hinaus die Debatte über Klimaschutzziele unserer Kommune angestoßen und werden demnächst einen Klimaschutzmanager oder eine Klimaschutzmanagerin einstellen. Dazu passt auch, dass wir die Förderung von Urban-Gardening-Projekten ermöglicht haben. Für mehr demokratische Beteiligung haben wir einen Stadtelternbeirat der Kitas durchsetzen können.

Auffällig war und ist, dass in der Stadtverordnetenversammlung mit ihren vier Fraktionen und der FDP-Frau Johanna von Trotha die klassische Blockbildung aufgehoben scheint. Ist das ein Modell auch für die nächste Legislaturperiode?

Hoffentlich! Wer bei der SPD gute Ideen hat, findet immer Unterstützer. Guten Ideen von anderen Fraktionen stimmen wir aber auch gerne zu. Es ist schön zu sehen, dass nicht die Unterschrift unter einem Koalitionsvertrag bestimmt, wer sich durchsetzt, sondern das Ergebnis eines spannenden Ringens um Mehrheiten.

Bundesweit fristet die SPD eher ein Schattendasein, in GiGu ist sie dagegen nahezu aufgeblüht. Wie sehen Sie ihre Fraktion: eher als Oppositions- oder als Gestaltungsfraktion?

Wir sind definitiv eine Gestaltungsfraktion. Wir haben viel zu viele Ideen, um die Politik nur aus der Opposition heraus zu begleiten.

Als Sie zur Fraktionsvorsitzenden gewählt wurden, waren Sie 26 Jahre alt. Wie schwer war es für Sie, sich in der zum Teil sehr konservativen und wesentlich älteren, von Männern dominierten Stadtverordnetenversammlung Gehör und Respekt zu verschaffen?

Ich zitiere: „Sie können hier nur so hübsch angezogen sitzen, weil Ihr Vater Ihre Klamotten bezahlt.“ Das hat mal ein Stadtverordneter in öffentlicher Sitzung zu mir gesagt. Sexismus trifft Frauen in jedem Alter, besonders wenn sie in Machtpositionen sind. Zu dem Thema habe ich – und sicher auch viele andere Frauen – aber so viel zu sagen, dass ich das nicht in zwei Sätzen zusammenfassen kann.

Sie leiten den Sonderausschuss, der sich mit dem geplanten Bürgerzentrum für Gustavsburg beschäftigt. Wie bewerten Sie die Diskussionen um dieses nicht unwichtige und emotional sehr behaftete Projekt?

Wir sehen an diesem Projekt, wie sich unsere Demokratie verändert. Die Leute haben wieder großes Interesse an Politik, an der öffentlichen Debatte, und sie reden mit. Genau diese Diskussion war notwendig, um zu einer guten Lösung zu kommen. Die Stadtverordneten und Vereine sind sich mittlerweile weitgehend einig. Inzwischen ist ja die Zwei-Standorte-Lösung auf den Weg gebracht, die Gelder sind im Haushalt eingestellt. Für die Umsetzung sind wir aber auch auf die Unterstützung des Bürgermeisters angewiesen. Gerade weil das Projekt so eine große Bedeutung für unsere demokratische Kultur hat, würde ich mir eine aktivere Rolle von ihm wünschen.

Glauben Sie persönlich daran, dass das Bürgerzentrum tatsächlich noch kommt?

Ja, zu 100 Prozent.

Ein Reizthema ist die Ortsentlastungsstraße für Ginsheim. Glauben Sie, dass diese noch kommt?

Dazu gibt es von mir ein klares: zu 100 Prozent nicht.

Könnte man Ihren Ausschussvorsitz als Vorbereitung für den nächsten Schritt ansehen? Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung nach der nächsten Kommunalwahl? Künftige Bürgermeisterin?

Ich deute das mal ganz frei als Zufriedenheit mit meiner Arbeit als Ausschussvorsitzende. Das freut mich sehr. Tatsächlich gibt es aber noch keine weiteren Pläne.

Und was sagen Sie zu der Einschätzung, dass Sie die Hoffnungsträgerin des SPD-Ortsvereins sind?

Die SPD lebt von ihrer Stärke als Gruppe, mit vielen verschiedenen Talenten und unterschiedlichen Köpfen. Der Begriff „Hoffnungsträgerin“ passt da für mich nicht wirklich rein, da niemand alleine irgendetwas erreichen kann. Ich freue mich aber, wenn ich als Teil einer entscheidenden Gruppe innerhalb der SPD wahrgenommen werde.

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