Die Hessenkasse hat ein Loch

„Nur 30 von 37 Stadtverordneten und davon nur 17 mit Ja-Stimmen, haben in der vergangenen Woche eine weitreichende Entscheidung getroffen, die unsere Stadt auf 30 Jahre in ihrer Selbstverwaltung und ihren Gestaltungsmöglichkeiten massiv einschränkt“, kritisiert Thorsten Siehr für die SPD Fraktion den Grundsatzbeschluss der Stadtverordneten­versammlung der sogenannten „Hessenkasse“ beizutreten.
 
„Die eigentlichen Probleme, dass die Einnahmen der Kommunen durch schwankende Gewerbesteuereinnahmen stark konjunkturabhängig und damit nicht wirklich planbar sind und dass den hessischen Kommunen seit 2011 jährlich rund 350 Millionen Euro weniger durch das Land auch zur Erfüllung von Pflichtaufgaben zugewiesen wurden, löst die Hessenkasse nicht“, erläutert Siehr und ergänzt: „Mit einer Verdopplung des Grundsteuerhebesatzes von 380 Punkten im Jahr 2014 auf heute 790 Punkte haben die Bürgerinnen und Bürger dieses Loch im kommunalen Finanzausgleich bereits zum großen Teil selbst gestopft!“
 
Das sogenannte „Gesetz zur Sicherstellung der finanziellen Leistungsfähigkeit der hessischen Kommunen“ gäbe zwar der Stadt eine gewisse Planungssicherheit beim Abbau ihrer Kassenkredite in Höhe von 25,4 Mio. Euro, dies aber nur unter der Bedingung, dass die Bürgerinnen und Bürger erneut mit zusätzlich mindestens 25 Euro pro Kopf und Jahr belastet werden und der Stadt alle Möglichkeiten genommen werden, in wirtschaftlich schlechten Jahren bestimmte Leistungen durch Kassenkredite zwischen zu finanzieren.

Einschnitte in die kommunale Selbstverwaltung

„Dann bleibt nur das Streichen von Leistungen und Angeboten oder das Drehen an der Gebühren- und Steuerschraube. Wir können dann vor Ort keine freiwilligen Angebote bei der Kinderbetreuung, im kulturellen Bereich oder bei der Unterstützung der Vereine mehr aufrechterhalten, ohne dass wir vom Land Hessen zu Streichungen oder drastischen Gebühren- und Steuererhöhungen gezwungen werden“, erläutert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Carsten Nickel, wie mit der „Hessenkasse“ erneut ein Stück kommunaler Selbstverwaltung aufgegeben wird.

Weitreichende Entscheidung ohne Beteiligung der Bürger

„Wenn wir solche weitreichenden Entscheidungen treffen, sollten zumindest die Bürgerinnen und Bürger erst in einer Bürgerversammlung gehört werden. Stattdessen schaffen wir aber jetzt Fakten und informieren dann nach Ablauf der Beitrittsfrist am 30. April 2018 erst im Mai die Öffentlichkeit“, kritisiert Torsten Reinheimer in seiner Rede vor den Stadtverordneten für die SPD Fraktion die Zeitplanung der konservativen Mehrheit aus Freien Wählern, CDU und FDP für eine Bürgerversammlung zu diesem Thema: „Gerade von den Freien Wählern, denen Transparenz und Bürgerbeteiligung immer wichtig waren, hätten wir ein solches Vorgehen nicht erwartet!“
 
Auf Antrag der SPD erfolgte die Abstimmung über den Beitritt zur Hessenkasse daher auch in sogenannter „Namentlicher Abstimmung“, wobei acht SPD Vertreter mit Nein stimmten und zwei sich enthielten. Allen Bürgerinnen und Bürgern ist daher bei zukünftigen Streichungen von Angeboten oder bei Steuer- und Gebührenerhöhungen angeraten genau hinzusehen, wer die „Hessenkasse“ vorbehaltlos befürwortet hat.

Wo wurde über die Verhältnisse gelebt?

Den Vorwürfen der Mehrheitsfraktionen, die Misere der Kassenkredite sei ja erst durch die Politik der SPD entstanden, entgegnete Thorsten Siehr mit der Frage: „Nennen Sie uns endlich eine Leistung oder Einrichtung in unserer Stadt, die nicht sinnvoll gewesen ist und mit der wir über unsere Verhältnisse gelebt haben? Wo sind denn die sprichwörtlichen ‚Goldenen Wasserhähne‘? Etwa in den Kitas und Betreuungseinrichtungen, die von den Eltern in unserer Stadt dringend benötigt werden, deren Unterhalt und Betrieb aber allein für ein jährliches Defizit von rund 3,5 Mio. Euro führt!“ Und Torsten Reinheimer ergänzt: „Mit dem vorbehaltlosen Versprechen eine Straße zu finanzieren, die eigentlich durch das Land zu bauen sei, zeigt die konservative Mehrheit jedenfalls keinen Sparwillen, den sie von der SPD immer eingefordert hat.“
 
Die SPD drängt daher wiederholt darauf, dass das Land Hessen endlich für eine „vollumfängliche und aufgabenangemessene finanzielle Ausstattung“ seiner Kommunen sorgt. Immerhin, eine entsprechende Resolution wurde durch die Mehrheit der Stadtverordneten, bei Ablehnung der CDU angenommen.

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